Die Marrakech-Reise der Schüler der sechsten Klasse hat am campus vivant’e bereits Tradition . Ein paar Tage gemeinsam in der roten Stadt sind Ansporn und Inspiration, das bisher Gelernte reell zu entdecken und konkret anzuwenden.
Die Marrakech-Reise der Schüler der sechsten Klasse hat am campus vivant’e bereits Tradition . Ein paar Tage gemeinsam in der roten Stadt sind Ansporn und Inspiration, das bisher Gelernte reell zu entdecken und konkret anzuwenden.
Durch die Corona-Krise konnte die Reise im letzten und auch dieses Jahr leider nicht stattfinden. Doch letzte Woche durfte zumindest die Gruppe unserer fünf hörbehinderten Schüler nach Marrakech reisen, um die Behinderung jedes Einzelnen abzuklären und die Hörsituation individuell nach Möglichkeit zu verbessern.
Diese Reise war natürlich auch pädagogisch wertvoll und eine wunderbare Möglichkeit, inmitten einer vertrauten Gruppe und unter Begleitung Gebärden-kompetenter Lehrpersonen, das Leben außerhalb von Ait Bouguemez, kennenzulernen.
Für einige war das, zum ersten Mal überhaupt, eine Reise in die Großstadt und weg von den Eltern. Sich Zurechtfinden in der Hektik des Verkehrs, der Dichte des Lebens, mit all der Moderne, den Kontrasten und vielen neuen Eindrücken, an unbekannten lauten Orten, ist für jeden der aus den Bergen kommt gewöhnungsbedürftig, und für hörbehinderte Menschen eine besondere Herausforderung.
Wir konnten die Reise sowohl für medizinische Tests wie auch für kulturelle Lernmomente nutzen. Die komplette Woche war gefüllt mit Arztbesuchen, es blieb aber nebenher genug Zeit für Erkundungen verschiedener Sehenswürdigkeiten, öffentlicher Gebäude, Museen, Gärten, Einkaufszentren und natürlich der schönen Altstadt von Marrakech.
Die Vielseitigkeit der Erfahrungen und Stimulationen konnte in Erfrischungs-Pausen und abends in der privaten Unterkunft diskutiert und verarbeitet werden. Überall wo sie sich aufhielt, zog unsere kleine lebendige Gruppe von gebärdenden Schülern die Aufmerksamkeit der Menschen um sie herum auf sich und wurde allerseits mit Freundlichkeit und herzlicher Empathie empfangen.
Dank der großzügigen aktiven und finanziellen Unterstützung des lokalen Vereins „Association des œuvres sociales Ait Bouguemez“, der Spenden von Freunden und Freundeskreisen aus der Schweiz, Deutschland und Frankreich und der professionellen Hilfe von Arzt und Hörgerätespezialist, konnten alle nach 6 Tagen in der roten Stadt mit wichtigen Informationen zur eigenen Situation und mit neuen Hörgeräten nach Hause fahren.
Das Anpassen der Apparate war ein eindrückliches Erlebnis und die neue Erfahrung, Geräusche, Lärm, Sprache und die eigene Stimme plötzlich verfeinert wahrnehmen zu können, war speziell.
Schritt für Schritt findet nun das Gewöhnen an Laute und das Hören-Lernen statt, und die Schüler lernen gemeinsam mit den Lehrpersonen, im gewohnten Umfeld des schulischen Alltags, den Umgang mit den neuen Geräten.
Drei der fünf tauben Schüler bereiten sich aktuell auf die Abschlussprüfung der Grundschule vor, die Ende des Monats stattfinden wird.
Damit begeben wir uns auch als Schule auf neues Terrain. Die Inklusion behinderter Schüler im Regel-Unterricht ist ein Thema, dem sich auch die breite Öffentlichkeit im Land immer mehr zuwendet.
Das Einbinden tauber Schüler in eine hörende Klasse ist eine Herausforderung, der sich das Lehrerteam am campus vivant‘e täglich stellt, mit viel Kreativität und Elan.
Seit mehr als sechs Jahren lernen alle hier, Schüler wie Lehrer, Gebärdensprache. Ein Team aus talentierten Lehrpersonen hat sich speziell im Gebärdendolmetschen und in Hörbehinderten-Pädagogik weiterentwickelt, und wir bekommen tatkräftige Unterstützung von Profis der Humboldt Universität Berlin sowie vieler anderer engagierter tauber und hörender Menschen aus Europa und auch Marokko.
Die Ansprüche des Lehrplans sind schon für hörende Schüler eine Herausforderung, für Hörbehinderte in vielen Bereichen schier ein Ding der Unmöglichkeit.
Gemeinsam versuchen wir neue Wege zu finden, scheitern, versuchen neu, kreieren Methoden, passen an und entwickeln uns zusammen weiter.
Ab September soll es dann auf Mittelschul-Niveau im collège vivant‘e mit der siebten Klasse weitergehen.
Wir freuen uns, dass wir in dieser Pionierarbeit seit diesem Jahr auch vom marokkanischen Bildungsministerium Unterstützung erfahren und jetzt das Ok für die Begleitung der Schüler ins Examen durch einen Gebärden-Dolmetscher aus unserem Team bekommen haben.
Im neuen Schuljahr stellen wir uns der Aufgabe, die Inhalte des Lehrplanes an die echten Bedürfnisse hörbehinderter Menschen anzupassen. Die Vision der staatlichen Bildungsreform 2015-2030 sowie die Ergebnisse und unsere Nennung im aktuellen Forschungsbericht für ein neues Entwicklungsmodell Marokkos (NMD) sind für uns Aufruf und Auftrag zugleich, mutig und innovativ neue Wege zu suchen.
Herzlichen Dank allen Menschen und Institutionen von nah und fern, die uns auf diesem Weg begleiten, stärken und unterstützen!
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